Lesespuren sind Sprengsel.
Sie sind personale Zeichen von einem Etwas, an oder zu einem Etwas, also an jeder Stelle der Zeichnung möglich. Sie nur in der freien Fläche in der Mitte einzuordnen, hieße, sie zu konzeptionalisieren, zu systematisieren, was der Sinnhaftigkeit zuwiderliefe.
Lesespuren sind Hinterlassenschaft, Dreingabe. Als Hinterlassenschaft eröffnen sie „über das Werk hinausgehend“ neue Spuren beim Betrachter. Der freie Raum in der Mitte der Zeichnungen, die Mittellinie, lässt einen Anklang an Registraturbücher zu, der gleichzeitig durch die Diagonale verfremdet wird. Wären die Linien durchgezogen, vermittelten sie möglicherweise den unaufhaltsamen Fortgang des Geschehens. Sie ist Bruchlinie, die etwas offen legt, die etwas offen macht, die Raum lässt.
Der Holzschnitt ist in seiner eigenen Ordnung der Gegenentwurf durch anderes Material und fehlende Durchsichtigkeit, die vorherige Ordnung nicht nur zu überdecken, sondern sie abzulösen, bei gleichzeitiger, wenn gewollter Durchsichtigkeit auf das rückliegende Geschehen.
Lesespuren
39 Zeichnungen, 42 x Doréepapier, je 25cm x 35cm, 39 Hochdrucke, Japanisches Seidenpapier – Shoi je 14cm x 28cm, Glas NS-Dokumentationszentrum RLP, Gedenkstädte KZ Osthofen, Halle II, Osthofen, 2006